Die ersten Jahre meiner 50 Jahre in Deutschland
Am 20. August 2021 habe ich mit meinen alten und neuen Freundinnen und Freunden und meiner Familie mein Jubiläum, „50 Jahre Deutschland“, gefeiert. Es war eine wunderschöne Feier und möchte davon etwas berichten.
Mein Geburtshaus in Yokota, Masuda, Japan. In diesem Haus bin ich vor 70 Jahren geboren. Es war ein herrlich aussehendes traditionelles Haus aus Holz und dem Strohdach und stand mitten in den grünen Reisfeldern, aber beim Bauernhaus fehlte es völlig an modernen Komfort. Das Haus wurde 20 Jahre später abgerissen und ein neues Haus mit dem roten Ziegeldach steht heute an der Stelle.
Meine Mutter war an die Mitte dreißig, hat mit meinen Brüdern und meinen älteren Schwestern ein Foto machen lassen.
Meine Eltern waren liebe Menschen, mein Vater war ein fleißiger Reis-Bauer und hatte ständig an neuer ertragsreicher Anbaumethode für Reis gearbeitet. Meine Mutter war eine herzensgute Frau. Sie lebten hauptsächlich aus Reisanbau, hatten für etwas Zubrot zeitweise eine Kuh, Schweine und eine Ziege für mich und die lange Zeit Hühner. Sie waren ein Selbstversorger. Neben dem eigenen sehr leckeren Reis gab es Kartoffeln, Süßkartoffeln, Erbsen, Auberginen, Zwiebeln, Frühlingszwiebeln, Rote Bohnen, Weißkohl, Chinakohl, Gurken, Tomaten aus Eigenanbau. Als Obst hatten meine Eltern Pampelmuse Daidai, Biwa, Kaki und Birnen und pflanzten im Frühjahr Erdbeeren, Wassermelonen. Zu allen Jahreszeiten gab es deshalb leckeres Essen aus den eigenen Ackerfeldern.
Dann wurde ich geboren. Meine Eltern dachten, mich, ihr letztes Kind, abzutreiben, aber Gott sei Dank, hatte eine Nachbarin sie überzeugt, dass ich zur Welt kommen sollte. Ich nehme meine Eltern nicht deswegen übel. Denn vor mir waren meine Schwester (8. Kind) und mein Bruder (9. Kind) in Baby- und Kindesalter gestorben, weil es nach dem Ende des Krieges eine äußerst schwierige Zeit war mit Nahrungsknappheit und schlechter medizinischer Versorgung. So dachten meine Eltern wahrscheinlich, dass sie nicht sicher waren, mich in der Nachkriegszeit durchzubekommen.
Familienfoto. Ich war in der Oberschule. Mein Bruder ist nach Hause gekommen.
Im Jahre von 1969 bin ich in der Universität Osaka in der Chemie eingeschrieben. Aber Japans Universitäten waren von der 68er Studentenunruhe noch völlig verwüstet. Ich bekam kein ordentliches Studium in der Uni. Ich bin nach der hart erkämpften Eingangsprüfung in die Universität in ein tiefes Loch der Orientierungslosigkeit gefallen, von der ich nicht herauskam. Was mache ich bloß? Ich bin auf die Idee gekommen, dass ich die Zeit nutzen könnte, um nach Europa zu verreisen. Ich redete im September 1970 mit meinem Vater darüber, ob ich in Europa für 2 Jahre Erkundungsreise machen könnte. Er hat meine Idee nicht abgeschlagen und nahm es zu Kenntnis.
Abschied von meinen Eltern. Ich wusste damals nicht, dass es mein Abschied von meiner Mutter sein würde.
Mein Ziel war nach Europa und Afrika zu reisen. Die Hälfte meines angesparten Kapitals, etwas 2000 DM, damals, war bereits für die Hinfahrt über Sowjetunion mit dem staatlichen Reisebüro Intourist aufgegangen. Zu wenig Geld, um meine Erkundungsreise durch Europa nach Afrika zu finanzieren. Daher dachte ich, ich muss unterwegs immer wieder jobben. Für das Essen habe ich 3 Dollars pro Tag, also 10 DM, eingeplant.
Mein Abenteuer begann am 9. Mai 1971.
Mein Schiff Chabarowsk legte von Yokohama ab. Über die Hälfte von 200 Passagieren waren meistens junge Abendteurer wie ich. Meine Wehmut wegen des Abschieds von Japan und mein unsicheres Gefühl für die Zukunft verflogen auf dem Schiff sofort. Alles ist neu für mich. Ich hatte die billigste 4'er Kabine ganz unten im inneren Schiffsbauch. Am Abend gab es Tanz Party und wir tanzten nach russischer Volksmusik Kosaken Sprünge mit.
Unser Schiff Chabarowsk fuhr in den Hafen von Nakhodka ein. Von dort liefen wir zum Bahnhof und nahmen den Nachtzug nach Chabarowsk. Ich schlief in einem 4-Betten-Schlafwaggon. Draußen breitete sich eine trostlose Landschaft aus Birken. Keine Ackerflächen waren zu sehen, sondern nur armselige Holzhäuser mit Bretterdächern.
In einer russischen viermotorigen Propellermaschine flog ich nach Moskau. Die Maschine wackelte stark und war laut.
Am 12. Mai waren wir in Moskau im Hotel Metropol, einem Luxushotel, abgestiegen. Das Hotel stand im Stadtzentrum, vor Kreml. Moskau hatte eine beeindruckende U-Bahn. Die Wände und der Boden sind aus Marmor gefliest. An den Wänden sind Skulpturen und Mosaiken wie in einem Museum aufgestellt. Die Statuen zeigen Arbeiter und Studenten. Nur Bahnen selbst waren veraltet. Die Uni. Moskau hat einen imposanten hohen Turm mit einer Uhr. Davor steht eine Statue, vor der wir ein Gruppenfoto machten. Am Roten Platz gegenüber Kreml steht das berühmte Kaufhaus Gum, ein beeindruckendes Gebäude.
Um Mitternacht von 14. Mai auf 15. Mai fuhren wir von Moskau nach Leningrad. Vor der Grenze nach Finnland kamen die Beamten zu unserem Abteil und kontrollierten streng. Mich haben die Grenzbeamten nur nach Bargeld gefragt. Andere mussten alles auspacken und selbst sich am Körper betouchen lassen. Unter dem Bett und Teppiche schauten sie nach. Einige Japaner trugen Bauchschutz, darauf waren die Beamten besonders vorsichtig. Zwei Japanerinnen verloren 400000 Yen (4000 DM) an die russische Grenzbehörde, weil sie sie beim Eintritt in Sowjetunion nicht deklariert haben. Es war eine Riesensauerei. Den beiden Japanerinnen war es zu Heulen zumute. Wir konnten aber nichts gegen die Beamten tun.
Am 15. Mai um 15:20 kam ich in Helsinki an. Ich hielt mich an meine Kostenvorgabe, 3 Dollars pro Tag. Ich kaufte Milch, drei Äpfel, Leberwurst und Brot. Ich wollte eine feste berühmte Frankfurter Wurst kaufen, aber nachhinein glaube ich, dass ich eine Leberwurst gekauft habe, die ich immer noch nicht mag. Sie hat mir gar nicht geschmeckt. Die Jugendherberge war leider ausgebucht. Ich fand ein Zimmer in einem Sommerhaus für umgerechnet 1250 Yen. An den nächsten Tagen schaute ich mir das Stadtzentrum um den Hauptbahnhof an.
Am 18. Mai fuhr ich mit einem Schiff nach Travemünde. Es war ein großes Luxusschiff mit einem Schwimmpool, einem Kino, einem Tanzsaal. Eine Band spielte schöne internationale Musik. Ich habe ein Ticket ohne Kabine und ohne Verpflegung gekauft. Ein junger Finne hatte viel Spaß, trank ständig und tanzte mit Frauen. Der nächste Hafen ist Travemünde.
Am 19. Mai hörte ich in Radio nur Deutsch. Ich bin von 23 Uhr bis 7:30 ausgeschlafen. Ich lief vom Hafen von Travemünde 3 km zu Fuß, um ein Auto zu finden, das mich mitnimmt. Mit mehreren Fahrern kam ich am Abend zur Jugendherberge von Göttingen an.
Am 20. Mai wartete ich auf eine Mitfahrgelegenheit in einer Tankstelle. Nach zwei vergeblichen Stunden brachte ich über mich, einen Mann anzusprechen, ob er mich mitnehmen könnte. Ja, und er redete im Auto nicht so viel, fragte mich, wie mir die Bundesrepublik Deutschland gefällt. Was ich von China halte. Über Konfuzius redete er. Ich versuchte auf Englisch zu antworten, was mich viele Mühe kostete. Dennoch hat er mich von der Nähe Kassel nach Frankfurt mitgenommen. Er ließ mich in der Jugendherberge von Frankfurt a.M. aussteigen, wo ich übernachtete. Sogar durfte ich bei ihm in der Messe drei Tage arbeiten. Das war Christoph.
Am 21. Mai. Ich habe von dem Tag an für drei Tage Job bekommen. Dabei eine gemütliche. Man beginnt mit der Arbeit um 9 Uhr, aber dann gleich um 10 Uhr gibt es ein üppiges Frühstück. Um 14 Uhr kommt ein luxuriöses Mittagessen. Käse, Tomaten, Gurken, Zwiebel, Butter, Brot, Milch, gehacktes Fleisch, Kaffee, Cola, Alkohol. Die jungen Frauen und Männer, vielleicht Studentinnen und Studenten, scheinen es zu genießen. Dazu bekomme ich 7 DM die Stunde.
Danach musste ich die Jugendherberge verlassen, da ich länger als drei Tage dort war. Ich verbrachte tagsüber mit der Erkundigung nach Sprachschulen und Arbeiten in dem Univiertel. In der Nacht schlief ich zum ersten Mal unter einer Brücke. Ich konnte von 23 Uhr bis 8 Uhr gut schlafen. Ich gab zum Leben wenig aus. Zum Frühstück trank ich Kaffee, aß Brot mit Marmelade. Alles für 1,60 DM. Am Abend aß ich außer Brot, Käse, Salami, Äpfel und trank halbes Liter Milch.
Doch das harte Leben nagte an mir. Ich bekam manchmal Zweifel an Sinnhaftigkeit dieser Art meiner Erkundungsreise durch die Welt. Vor allem fragte ich mich, ob ich meine isolierte Situation, die sich dadurch ergab, dass ich aus einem anderen Kulturkreis kam und die Sprache nicht beherrschte, überwinden kann.
Ich schlief in einem Park. In der Nacht hat man mir etwas gestohlen.
Am 30. Mai nahm Christoph mich nach Hamburg mit. Morgens um 9 Uhr holte er mich ab. Er fuhr zuerst zu seiner Schwiegermutter vorbei und wir frühstückten. Dann fuhr er zu seinem Schwager. Zu meiner großen Überraschung konnten wir bei ihm in seinem privaten Pool schwimmen. Wir verabschiedeten uns von Frankfurt a.M. Am Abend um 19 Uhr sind wir in Hamburg in seiner großen Wohnung angekommen.
Ich habe mich am Abend mit Christoph unterhalten, wie es mit mir weiter geht. Er empfahl mir, zuerst eine Arbeit in Hamburg zu suchen. Ich darf so lange bei ihm wohnen, sagte er. Weil ich in Deutschland fremd bin, bin ich sein Gast. Wenn Christoph oder seine Familie nach Japan kommen sollte, soll ich mich um ihn oder sie kümmern. Ein langfristiger Deal also. So begann mein Leben in Hamburg bei Christoph. Die Begegnung mit Christoph war der Knackpunkt in meinem Leben. Das wird vorbestimmen, was danach kommen sollte.
An einem anderen Abend aßen Christoph, sein Sohn Stefan und ich mit der Mitbewohnerin Anne und ihrem Freund Bert zusammen. So lernte ich Anne und Bert kennen.
Am 1. Juni meldete ich mich bei dem japanischen Generalkonsulat in Dammtor an.
Am 6. Juni haben mich Anne und Bert zu ihrem Treffen mitgenommen. Es dauerte zwei Tage. Sie und die anderen Psychologie-Studenten wollten eine WG bilden und diskutierten über ihren Plan. Ich fragte Bert, wie ihr Plan aussieht. Er erklärte mir ausführlich, was sie vorhatten. Ich habe es verstanden.
Ich habe gar nichts von der Diskussion mitbekommen, aber es hat mir einige Anregungen über mein Reiseziel gegeben. Wie kann ich Afrika helfen? Was soll ich jetzt tun? Vor allen Dingen kam mir immer wieder der Zweifel auf, ob es Sinn macht, schnell viele Länder zu bereisen, ob ich dadurch überhaupt das Reiseland in kürzester Zeit kennenlernen kann. Ich denke, dass ich eher in einem Ort für eine längere Zeit bleiben soll.
Am 7. Juni geht meine Sprachschule Inlingua am Hauptbahnhof los. 10:00 bis 12:30, Mo bis Fr. Ab 14 Uhr bis 22:00 arbeitete ich bei Christoph in der Glasfabrik.
Am 14. Juni meldete mich Christoph im Einwohnermeldeamt von Bergedorf an.
Am 22. Juni schrieb Christoph eine Bescheinigung für mich, die ich bei der Anmeldung zur Uni. Hamburg einreichen muss. Er bescheinigte, dass er mich bei meinem Studium finanziell unterstützen würde. Ohne seine Hilfe hätte ich mich nicht so einfach zum Studium in Hamburg anmelden können.
Am 28. Juni kleidete ich mich zum ersten Mal neu ein. In Wollworth von Bergedorf habe ich mir eine braune Cout-Hose für 32,72 DM und ein kurzärmeliges Shirt für 18 DM gekauft. Mir passten sie gut. Aber keiner in der Firma hat gemerkt, dass ich mich neu eingekleidet habe. Später kaufe ich ein Paar günstiger Schuhe für 35 DM dazu.
Am 17. Juli erhielt ich die Bestätigung meiner Anmeldung zur Immatrikulation der Uni. Hamburg. Ich soll zwischen dem ersten und fünfzehnten Oktober 1971 im Studentensekretariat der Uni. Hamburg erscheinen. Ich muss neben diesem Schreiben 3 Lichtbilder und meinen Reisepass mitbringen. Die Voraussetzung ist, dass ich über ein gewisses Maß an Kenntnissen in der deutschen Sprache verfüge. Vor meiner Einschreibung muss ich mich einer Kommission zur Überprüfung meiner Deutschkenntnisse stellen.
Von der Chemischen Fakultät erhielt ich ein Schreiben, dass ich den Einführungskurs in der Anorganischen und der Physikalischen Chemie belegen kann. Dafür muss ich mich bis zum 17. September 1971 schriftlich bei der Geschäftsstelle des Chemischen Institutes anmelden.
Im August 1971 erklärten USA das Ende des Umtausches von Dollar gegen Gold. Der Wechselkurs von Dollar gegenüber DM schwächelte. Meine American Express Checks, meine eiserne Reserve, verloren an Wert in DM. Bis vor kurzem habe ich für ein Dollar 3,60 DM bekommen, jetzt ist es nur noch 3,33 DM wert.
Von der ständigen Bleibe bei Christoph aus schreibe ich Briefe an meine Eltern und meine Schwestern in Japan. Meine Mutter war um mich völlig verzweifelt, wie sie mir geschrieben hat, ob ich genug zu essen bekäme und ein Dach über dem Kopf hätte. Meine ganzen Schwestern schreiben mir, dass ich schnell nach Hause kommen soll und das Studium in Osaka fertig machen soll. Ich konnte sie beruhigen, dass ich bei einem guten Bekannten wohne, und mich in einer Sprachschule für Deutsch eingeschrieben habe.
Ich habe im Oktober meine Deutschprüfung der Kommission gerade bestanden, dass ich mit dem Chemie-Studium beginnen darf. Mein Deutsch wurde nur als ausreichend eingestuft, das heißt, es war noch nicht gut genug, so dass ich während des Studiums parallel Deutsch-Kurs in der Uni. Belegen musste.
Im Dezember 1971 hat mich Bert zu Weihnachten zu ihm nach Hause eingeladen. Er und Anne haben mich mit seinem Käfer mitgenommen. Es ist eine ländliche Gegend. Ich weiß nicht mehr genau, wo es war, aber sein Vater sieht aus wie ein amerikanischer Schauspieler, ein großer Herr, der freundlich und gütig wirkte. Seine Mutter ist eine liebe Frau gewesen. Ich durfte die Familie von Berts Bruder kennenlernen. Es waren für mich einprägsame Weihnachtstage voller schöner Erinnerungen.
Nach den Weihnachtsfeiertagen verabschiede ich mich von der Familie von Bert und fahre per Anhalter nach München. Dort ging eine 14-tätige Reise des Ausländischen Studentenwerkes der Uni. Hamburg durch Bayern los. Die Reise war mit Vollpension, in einem Reisebus, und kostete dafür nur 140 DM. Etwa fünfzig Teilnehmer aus vielen Ländern waren dabei. Es war eine lustige Gruppe. Wir haben Oberammergau, Neuschwanstein, das Münchener Hofbräuhaus, Passau und Konzentrationslager besucht. Ich habe eine Silvesterfeier gefeiert. Ganz anders als in Japan, eine Party mit Musik und Tanz.
Nach dem Beginn des Studiums habe ich in Bergedorf ein Zimmer gefunden. Mein eigenes Zimmer, das ich in der lokalen Zeitung gesehen habe. Christoph hat mit der Wirtin gesprochen. Die Wirtin war eine tüchtige nette Frau und sie, ihr Mann und Kinder wohnten in dem Haus. Sie vermieteten 3 Zimmer unter dem Dach. Mein kleines Dachbodenzimmer hat ein Wohn- und Schlafzimmer und eine abgetrennte Kochgelegenheit. Im Wohnzimmer ist ein Kaminofen. In den kalten Wintertagen heizte die Wirtin morgenfrüh den Kaminofen für mich. WC und Waschbecken mit kaltem Wasser waren auf der Etage. Bald gerate ich in einen Miete Rückstand. Die Wirtin war so verständnisvoll. Ich habe meinen Vater gebeten, Geld zu schicken. Es hat etwas gedauert, aber das Geld ist angekommen. Dabei hat die Wirtin mir vertraut, wofür ich ihr sehr dankbar war.
Als das Studium begann, verlagerte sich mein Leben immer mehr nach Dammtor und Hamburg. Ich habe als Zeitungsträger eines japanischen Verlages gearbeitet. Ich verteilte den japanischen Handelsbüros die Zeitung morgens ab acht Uhr. Später arbeitete ich in diesem Verlag in der Redaktion.
Ich fand ein Zimmer im Studentenheim Bugenhagen Konvikt in Othmarschen. Es ist voller Leben, habe im Studentenwohnheim viele Kommilitonen kennengelernt. Manchmal gab es Tanz Party, man wurde zu einer Geburtstagsfeier eingeladen, oder feierte selbst eine. Auf unserer Etage lerne ich bei dieser Gelegenheit Ulrich kennen.
Im Deutschkurs habe ich einen kleinen Fortschritt gemacht. Ich war gerne mit den ausländischen Studenten und -tinnen zusammen, weil wir alle gleichermaßen nicht perfekt Deutsch sprachen. Ganz nett fand ich eine italienische Studentin. Wir beide belegten zufällig beim Professor Delmas den obligatorischen Deutsch-Kurs. Wir haben einiges zusammen unternommen. Wir sind nach Travemünde gefahren. Sie war die einzige Studentin, die mich als einen männlichen Kommilitonen wahrgenommen hatte. Alle Mädels hatten mit einem Ausländer wie mir nichts am Hut. Sie kehrt 1972 nach Italien zurück.
Einmal habe ich mich im Studentenwohnheim erkältet und habe Fieber bekommen. Ich liege verschwitzt in meinem Bett und hatte einen Schüttelfrost. Dann ist Ulrich gegen Mitternacht in mein Zimmer reingekommen, weil er ein Licht in meinem Zimmer hat brennen sehen. Er hat mir einen heißen schwarzen Tee gekocht. Das hat mir so gut getan und mir geht es am nächsten Tag gleich besser. Das habe ich nie vergessen.
Wir haben uns irgendwie gut verstanden, ohne viel zu sagen. Er hat mich 1972 zu Weihnachten nach Ruhrgebiet zu seinen Eltern eingeladen. Ich fuhr in den kalten Wintertagen nach Duisburg per Anhalter. Es war ein sehr herzlicher Empfang von seinen Eltern, Bruder und blinder Oma. Es gab leckeres Essen mit Hasenrücken, soweit ich mich erinnere.
Seitdem durfte ich zwei weitere Weihnachten bei Ulrich verbringen. Irgendwann habe ich einmal Japanisch gekocht. Tempura mit Tintenfisch.
In meinem Bekanntenkreis der Ausländer tauchte irgendwann mein Landsmann auf. Ich merke, dass er anders ist als normale Japaner. Wir fanden bald Gemeinsamkeit in unserer Denkweise zu Japan und Gesellschaft.
Die Semester vergingen schnell vorbei. Ich war im Jahre 1973 im 6. Semester. Doch meine Praktika wurden langsam vollständig absolviert. Ich arbeitete oft im Hamburger Hafen in den Bananen- und Orangenschuppen von HHLA. Wenn ich einen Tag arbeitete, verdiente ich 60 DM bar ausgezahlt und konnte damit im Studentenwohnheim eine Woche leben.
Im Winter 1973 lernte ich bei einer Silvesterfeier Cha-Ja kennen. Ich bin zu dieser Feier ihrer Schwesternkolleginnen, alle Koreanerinnen, eingeladen. Wir lernten uns in den nächsten Monaten näher kennen. So entwickelt sich eine neue, warme und ernste Beziehung.
In der Zeit starb meine Mutter. Sie war gerade mal 60 Jahre alt. Sie ist von unserem ca. 2 m hohen Kaki-Baum auf den Boden gestürzt, als sie auf den Kaki-Baum kletterte und Kaki-Früchte pflücken wollte. Sie hat Knochen gebrochen. Im Krankenhaus hat ihr Kreislauf versagt.
Irgendwann danach hat Ulrich eine koreanische Freundin. In dieser Zeit besuchten Ulrichs Eltern Hamburg. Wir haben zusammen etwa unternommen.
Cha-Ja ist mir inzwischen so wichtig geworden. Ich habe gedacht, dass ich sie einmal meinen Eltern vorstellen sollte. Dafür musste ich nach Japan fliegen. Ich habe mich ein Semester beurlauben lassen und gejobbt, um die Flugtickets zu kaufen. Sie steuerte auch Reisekosten bei. So fahren wir 1975 nach Korea, um mich bei Cha-Jas Familie vorzustellen, und nach Japan, um Cha-Ja bei meinem Vater und meiner Familie vorzustellen. Daraus ist unsere Hochzeit geworden. Wir kommen als rechtmäßige Mann und Frau nach Deutschland zurück.
Als es uns nach vielen Jahren gut ging, wo man sich langsam etwas leisten könnte, ging Cha-Ja von uns. Es wart eine sehr schwierige Zeit für mich. Ich habe mich so allein gelassen gefühlt.
Dann hat Maggie mir sehr geholfen. Mit Maggie hat für mich ein völlig neues Leben begonnen. Sie hat mir mehr Deutsch beigebracht als Prof. Delmas in einem Jahr. Eine lebendige Sprache aus dem Leben in Rheinland. Und mit ihr habe ich ihre besten Freundinnen und Freunde zubekommen. Ich fühle mich bei Maggie und ihren Freunden bestens aufgehoben.
Mein ganzes Leben lang ab 1976 bzw. 1979 haben Natsuho und Tamaho mir große Freude bereitet.
Dann wurden meine Enkel geboren. Alle sind aufgeweckte Jungen und wachsen gesund auf, worüber ich sehr glücklich bin.
Ich sage mir, ich wäre nicht hier, wenn ich euch und Christoph nicht kennengelernt hätte. Und hier in Deutschland konnte und kann ich mich selbst besser verwirklichen als in meiner Heimat. Ein Japaner zu sein und darüber hinaus wie ein Deutscher zu denken. Ich fühle mich sehr wohl hier. Ich danke euch dafür sehr.
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